Industrialisierung der Verlagswelt – was heisst das?

Seit einiger Zeit höre ich des öfteren Verantwortliche aus der Verlagsindustrie über Ihre eigene Industrialisierung reden. Ist dieser Satz an sich selbst schon ein Widerspruch? Schliesslich spricht man ja i.a. von der Verlagsindustrie. 

Nun, darüber könnte man sicher ein Buch schreiben. Doch einiges lässt sich schnell festhalten:

  • Das Geschäftsmodell von Verlagen hat eine lange, bis auf das 19 Jh. zurückgehende Tradition. Das Zeitalter der Industrialisierung gab es also damals schon. Und wie in der klassischen produzierenden Industrie deckt ein Verlag üblicherweise die gesamte Wertschöpfung von der Produktentwicklung (welche Inhalte für welche Zielgruppen), dem Einkauf (Autoren), Produktion (Lektorat und Druck) und Vertrieb (Handel) ab.
  • Im Gegensatz zu anderen Industrien – insbesondere der deutschen Automobilindustrie – hat sich an dem Wesen und den Prozessen innerhalb von Verlagen wenig bis gar nichts geändert. Der Erfolg von Automobilherstellern liegt darin, sich gerade in Zeiten intensivsten Kostendrucks auf wesentliche Kernkompetenzen fokussiert und andere Kompetenzen innerhalb der Wertschöpfungskette (wie Konzeption und Bau einzelner Bauteile) anderen Zulieferern zu überlassen. Dies geht einher mit einer drastisch reduzierten Fertigungstiefe in der Produktion. Der Erfolg einzelner Industrieunternehmen hängt also in entscheidender Weise davon ab, in welcher Form es Ihnen gelingt, die Prozesse unter Einbindung diverser Marktteilnehmer zu steuern und in ein sinnvolles, überzeugendes, am Markt erfolgreiches Ganzes (das Auto) zu überführen.
  • Diese Aufgabe steht aktuell mehr denn je, angesichts der dramatischen Marktveränderungen im digitalen Zeitalter, auch den Verlagen bevor. Erfolgreich werden die Verlage sein, denen es gelingt, ihr gesamtes Produktmanagement mittelfristig neu zu verstehen. Die Kernkompetenz von Verlagen wird weniger in der Erstellung von Inhalten und einer klugen Vermarktung über den Handel liegen. Vielmehr rücken die Kompetenzen zur Komposition digitaler Inhalte, deren intelligente, zielgruppen-optimierte Strukturierung und Auslieferung und damit die marktnahe und bedarfsoptimierte Befriedigung von Kundeninteressen in den Vordergrund.
  • Semantik rückt dabei – zunächst einmal weniger als Technologie – sondern als wesentliches Werkzeug in den Mittelpunkt. Vorreiter wie Haufe Lexware – aber auch kleinere, auf geschickte Weise Nischen besetzende Verlage wie Dashöfer (im osteuropäischen Markt) haben die entscheidenden Weichen bereits gestellt.
Über kurz oder lang wird sich entscheiden, welche Verlage die Herausforderung der digitalen Zukunft annehmen. 

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